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Selbstbewusste Glasbläser machten auch politisch Mut

SPD Homburg-Mitte feiert 90-jähriges Bestehen


22. November 2002
[Wolfgang Kerkhoff: Entwurf für eine Rede des Ortsvereinsvorsitzenden]


Ich würde mit Ihnen - mit euch - zusammen heute Abend gern ein bisschen Geschichtsstunde machen. Nicht, um zu belehren, sondern um an ein paar Sachen zu erinnern, die für Homburg wichtig waren.
Die schlechte Nachricht heißt: Ich habe mir 13 Punkte vorgenommen. Die gute Nachricht heißt, sie sind alle sehr kurz.
Und weil das so ist, kommen bestimmte Ereignisse, bestimmte Zusammenhänge und bestimmte Namen darin leider auch nicht vor. Das ist in keinem Fall eine Wertung. Ich sage das vorsorglich; denn ich werde wirklich sehr kurz sein - müssen.
90 Jahre sind kein Pappenstiel. Nur die Bruchhof-Sanddorfer waren wohl noch früher dran. Hochachtung.
Man muss sich klar machen, in welche konkrete Situation hinein die Sozialdemokrat/innen damals gingen. Unter der Federführung von Stumms war 1877 ein "Komitee der Arbeitgeber zur Bekämpfung der Sozialdemokratie" geschaffen worden. Die Arbeitgeber einigten sich darauf, keine Arbeiter zu dulden, "welche sich direkt oder indirekt an sozialdemokratischen Agitationen beteiligen, und zwar insbesondere durch Teilnahme an sozialdemokratischen Vereinen und Versammlungen, durch Halten und Verbreiten sozialdemokratischer Blätter oder durch den Besuch von Wirtshäusern, welche sich zum Auflegen von Zeitungen oder zum Abhalten von Versammlungen dieser verderblichen Richtung hergeben. Arbeiter, welche in Ausführung dieses Beschlusses entlassen werden, sollen auf keinem anderen Werke Aufnahme finden."
Das zitiert Bernd Schäfer in einem Beitrag zur Geschichte des Ortsvereins Homburg-Mitte, es ist eine Passage aus der Saarbrücker Zeitung vom 10. Juli 1877. Und es spiegelt den Geist wider, der auch Anfang des 20. Jahrhunderts bei uns die Verhältnisse bestimmt hat.
Umso größer muss der Respekt vor denen sein, die sich damals getraut haben, den Kopf aus der Deckung zu heben und klar zu sagen, was soziale Gerechtigkeit für sie bedeutet.
Ohne sie hätte es wohl keine vernünftige Sozialordnung und wohl auch später kein so genanntes Wirtschaftswunder gegeben.
1912 - das war damals ein Obrigkeitsstaat, in dem für Arbeitnehmerrechte kaum Platz war.
Zu Erinnerung: Damals gab es das Dreiklassen-Wahlrecht und jedenfalls kein Wahlrecht für Frauen.
Trotzdem sind Frauen und Männer in Homburg damals für sozialdemokratische Ideale eingetreten, obwohl sie nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch bedroht wurden.
Ums sie und ihre Nachfolger/innen geht es bei den paar Bemerkungen, die ich anlässlich unseres Jubiläums noch machen möchte.

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Fangen wir an bei den "Glaspatzen". Sie kamen an einem grauen Wintertag im Schneematsch: 230 Männer, Frauen Kinder aus Oberfranken. Die Glaspatzen wurden Anfang 1912 zu Geburtshelfern der Sozialdemokratie in Homburg.
Das waren Facharbeiter, die von der Glasfabrik Sigwart & Möhrle angeheuert worden waren. Das Unternehmen war dort, wo heute Gerlach-Gelände ist. Der Standortvorteile wegen habe man sich für Homburg entschieden, heißt es später in einem Bericht. Unter anderem dürfte es dabei um Kohle und um den Sand aus dem Innern des Schlossbergs gegangen sein. Aber auch um die geographische Lage; denn die Firma - die übrigens bis 1931 produzierte - lieferte unter anderem Champagnerflaschen nach Frankreich und Spanien.
Die selbstbewussten Glasmacher verstärkten nicht nur zahlenmäßig eine kleine Gruppe von Sozialdemokraten, die es in der 7.000-Einwohner-Stadt Homburg schon gab, die sich aber in einem eher feindlichen Umfeld noch zurückhielten.
Franz Oelkrug, Philipp Scheuermann, Karl und Fritz Oberdörfer, Hermann Schöppe - sie redeten ab 1910 auch öffentlich über Sozialismus und Demokratie, und sie gehörten bei der Ortsvereinsgründung zum Kern-Team. Die Glasspatzen hatten ihnen Mut gemacht, für ihre Ideale noch stärker in die Offensive zu gehen.
Der nächste Schritt war die Gründung freier Organisationen, zunächst der Gewerkschaft, deren Leitung Fritz von Freital übernahm. Schon 1912 wurde auch der Arbeiter-Turn- und -sportverein gegründet, dessen 1. Vorsitzender H. Porzel wurde. Von 1914 bis zum Verbot 1935 war Franz Finkbeiner der Vorsitzende.
Auch ein Arbeitergesangverein wurde gegründet.
Inzwischen war die junge SPD-Ortsgruppe schon recht schön angewachsen, bald waren es 50, dann 60, 100 und sogar 150 Mitglieder. Das sind Informationen, die Willy Sachs zusammengetragen hat.
Schwarz auf weiß gibt es allerdings nur wenig Quellen für das, was die SPD damals konkret an Aktivität entwickelte. Die amtliche Verfolgung "sozialdemokratischer Umtriebe" und der Krieg sorgten dafür, dass im Lauf der Zeit wertvolle Dokumente verbrannt wurden oder im "Puddelloch" verschwanden.
Protokollbücher sind also nicht mehr vorhanden. Aber Willy Sachs, in den 80-er Jhren gestorben, ein sehr aktiver Sozialdemokrat, hat trotzdem ein ziemlich plastisches Bild der Homburger Sozialdemokratie gezeichnet.
Er stützte auf mündliche Berichte der Alten, und es wäre eine schöne Aufgabe, das Material, das er gesammelt hat, einmal zu einem Buch über die Homburger Sozialdemokratie zu verarbeiten.

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Klar: der 1. Weltkrieg brachte einen herben Rückschlag für die Homburger SPD. Aber danach waren die Sozialdemokraten sofort wieder da.
Gewerkschaften, Turner, Sänger nahmen ihre Arbeit wieder auf, neue Organisationen wurden gegründet, wie zum Beispiel der Arbeiterschachverein oder der Arbeitersamariterbund, Die Sozialistische Arbeiterjugend, die Arbeiterwohlfahrt und andere.
Die Partei wurde stärker als zuvor, "Willi Brüning hatte viel zu tun, die Beiträge zu kassieren", schreibt Willy Sachs. Und in seinen Aufzeichnungen taucht jetzt ein Name immer häufiger auf: Heinrich Lieser, er wurde 1919 - mit 40 Jahren - in Homburg Parteisekretär. Er organisierte für die Kommunalwahl 1920 einen engagierten Wahlkampf, der laut Willy Sachs "riesig Spaß" machte, "und die Mitglieder waren mit Feuereifer bei der Sache". Da wundert man sich schon nicht mehr, dass die SPD als Neueinsteiger gleich vier Mandate bekam, für Heinrich Lieser, Franz Oelkrug, Reinhold Weber und Eduard Wilking.
Oelkrug wurde damals übrigens sogar Beigeordneter (Adjunkt), was er 13 Jahre lang auch blieb. Ludwig Conrad, auch er Adjunkt, Karl Müller aus Beeden (der nach dem 2. Weltkrieg Bürgermeister wurde), Jakob Henkel und Christan Aroldsen mischten in dieser lebhaften Zeit als Sozialdemokraten in der Kommunalpolitik mit - übrigens bald auch eine Frau, Anna Brüning, was für einen Stadtrat durchaus noch ungewöhnlich war.
In den 20-er Jahren hat Homburg sich stark verändert. Willy Sachs schreibt dazu: "Sei nur daran erinnert, dass die Kaiserstraße bis 1932 im Winter noch ein übler Schlammweg war, im Sommer gab es riesige Staubwolken. Es gab noch kein Schwimmbad, keinen Saalbau. An dessen Stelle stand Simons Wirtschaft, genannt ‚Simons Sälche', die Bleibe der Sozialdemokraten und aller freien Organisationen, und sie fühlten sich wohl dort."

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Dort wird man sich oft auch den Kopf über das verbrochen haben, was jenseits der Grenze "im Reich" vor sich ging. Was auch auf Homburg längst abfärbte.
Bald wurde es kritisch, die Nazis wurden hier stärker und dreister. Wer als Sozialdemokrat aktiv war, bekam Probleme, wurde öffentlich und handgreiflich attackiert. Es gab Saalschlachten. Die SPD Homburg hatte unter ihrem damaligen Vorsitzenden Ernst Grobeiß eine Bewährungsprobe zu bestehen; denn immer öfter verließ die aktiven Mitstreiter der Mut, für ihre Partei und ihre Ziele einzutreten.
Etwas eigenartig und gewiss auch zweischneidig deshalb eine Einschätzung, die Willy Sachs in der Festschrift zum Jubiläumsjahr 1972 wiedergab: "Im großen und ganzen blieben die Homburger Sozialdemokraten in der nationalsozialistischen Ära unbehelligt", schreibt er, um sich aber selbst auch gleich zu korrigieren: "eine sicher gewagte Feststellung, wenn man weiß, dass alle vor allem beruflich zu leiden hatten, dass es zu Strafen und Verhaftungen aus nichtigen Anlässen kam. Einige kamen auch in Konzentrationslager."
Karl Berg zum Beispiel, eine der markantesten Homburger Sozialdemokraten dieser Zeit, wurde nach dem Attentat 1944 auf Hitler prompt verhaftet - die Order kam direkt aus Berlin. Mit den Vorgängen hatte er zwar nichts unmittelbar zu tun, aber er stand eben auf einer schwarzen Liste der Nazis. Und es war nicht seine erste Verhaftung.
1933, so erfahren wir in einer Reportage von Peter Boullay, war es schon einmal so weit. Der Vorwurf: Entfernung eines Lautsprechers bei der Führerrede im Rathaus, Entfernung einer Nazifahne vom Schlossberg. Karl Berg kommentierte die Vorfälle später trocken: "Ich wär's ja gerne gewesen, es waren aber wieder mal die Glasbläser." Die Glasmacher waren wirklich eine mutige Truppe.
Bei der Saar-Abstimmung von 1935 war Karl Berg, ein Gewerkschaftssekretär, ein klarer Befürworter des Status-quo. Die Nazis waren im ein Gräuel. "Heim ins Reich" kam für ihn nicht in Frage, so lange sie an der Macht waren. Es war ein Ausdruck größter Zivilcourage, dass er wie viele andere Sozialdemokraten auch auf Landesebene offen für seine Ziele kämpfte, als die SPD schon verboten war.
Nur: Der Abstimmungskampf 1935 ging bekanntlich verloren, viele SPD-Aktive resignierten jetzt, emigrierten oder - leisteten Widerstand. Das war allerdings nicht die Mehrheit.

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Wir kommen schon zu Punkt 5 und damit zur Stunde Null in Homburg.
Das Kapitel beginnt wieder mit dem Namen Karl Berg. Am 14. März 1945 war der schwere Bombenangriff auf Homburg, vier Tage später kamen die Amerikaner.
Und noch am selben Tag fuhr vor Karl Bergs Wohnung in der Entenmühlstraße ein Army-Jeep vor. Diesmal wurde Karl nicht verhaftet, sondern um Hilfe gebeten.
Dass er auf einer schwarzen Liste der Nazis gestanden und so viel Zivilcourage bewiesen hatte, machte ihn für die amerikanische Militärkommandantur zu einem wichtigen Mann.
Im Homburger Hof, wo die US-Führung Quartier bezogen hatte, erfuhr er, dass die Amerikaner über ihn und andere sehr gut Bescheid wussten. Er erfuhr auch, dass die Amerikaner einen Bürgermeister und einen Landrat suchten.
Die bekamen sie dann auch mit Karl Müller, der Bürgermeister wurde, und Heinrich Lieser, dem Landrat. Karl Berg selbst kümmerte sich um der Wiederaufbau der AOK, Ernst Grobeiß übernahm das Arbeitsamt. Schwere Zeiten des Wiederaufbaus, in denen es viele Probleme und mangels Masse wenig Lösungen gab.
Die Sozialdemokraten formierten sich wieder, beteiligten sich aktiv am "Beirat", den die Amerikaner als vorläufigen Ersatz für den Stadtrat einsetzt. Den wiedergegründeten Ortsverein leitete Karl Berg, der dann auch die Gründung des Unterbezirks Homburg vorantrieb.

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Der Krieg hatte in Homburg enorm viel Zerstörung hinterlassen. Besonders der bereits erwähnte 14. März. Die amtliche Statistik liest sich kühl: von 3.270 Wohn- und Geschäftshäusern, landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden und gewerblichen Anwesen wurden 1.790 bis zu 10 % beschädigt, 271 zu 50 %, 153 zu 70 %, 220 bis zu 85 % und 85 bis zu 100 % beschädigt.
Total zerstört waren Bahnhof, Landratsamt, Arbeitsamt, Gesundheitsamt. Teilweise zerstört beispielsweise Rathaus und Hohenburgschule, das Amtsgericht und die evangelische Kirche.
Die Mittel, um wieder zu einem normalen Leben zurückzukehren, waren gering. Dem Stadtrat, der an die Stelle des "Beirats" trat, blieb kaum mehr als die Verwaltung des Mangels. Die Sozialdemokraten hatten damals eine Oppositionsrolle, mit 5 von 27 Sitzen. Ratsmitglieder waren Karl Müller, Ernst Grobeiß, Kurt Conrad, Fritz Niebling und Willy Sachs. In der ersten Ratssitzung am 22. September 1946 mussten sie sich unter anderem mit der katastrophalen Wohnraumsituation und einer gerechten Brennstoffverteilung befassen, aber auch mit "besserer Ernährung bzw. höherer Lebensmittelzuteilung für die Arbeiterschaft", wie es über einem Antrag der SPD-Fraktion hieß.

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Streng genommen war es keine SPD-Fraktion, sondern eine SPS-Fraktion; denn die SPD konnte es wegen des "D" damals ja nicht geben.
Dass zu diesen beiden Spielarten der Sozialdemokratie auf Landesebene sogar noch eine dritte kam, die überregional Aufsehen und Unruhe erregte, hat vor allem mit einem bereits erwähnten Homburger Akteur zu tun, mit Kurt Conrad.
Er war 1946 gerade aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, als er in einer Vorstandssitzung den Rücktritt Karl Bergs von allen Ämtern erleben musste. Dieser sah unüberbrückbare Gegensätze zwischen der eigenen Überzeugung und der offiziellen SPS-Parteilinie.
Es ging dabei um die Gretchenfrage: Wie hältst du's mit dem Verhältnis zur großen Schwester Bundesrepublik? Das Saargebiet war damals abgetrennt, hatte einen Übergangsstatus und sollte 1955 darüber entscheiden, ob es den behalten oder nicht doch jüngstes Bundesland der Bundesrepublik werden wollte.
In fast jeder Sitzung der Homburger Sozialdemokraten ging es damals auch um die Lösung der "Saarfrage". Kurt Conrad - inzwischen Unterbezirksvorsitzender - hielt gar nichts von den Überlegungen, ein unabhängiges Saargebiet als Teil einer europäischen Lösung anzustreben. In der SPS sah man darin aber eine durchaus verlockende Perspektive.
In der Partei begann es zu knirschen; denn Kurt Conrad stand nicht allein. Die Gründung einer prodeutschen sozialdemokratischen Partei für das Saarland wurde vorbereitet. Das entsprach einem Bruch des Verbots der SPD, wurde in Saarbrücken und Paris misstrauisch beobachtet. Die Verfechter versammelten sich also heimlich, zunächst in Orten jenseits der Grenze, Vogelbach oder Bruchmühlbach: Hermann Diel, Alfred Kühn, Wendel Mayer, Franz Roos, Heinz Stolpe waren dabei.
Kurt Conrad rief dann 1952 die Gründung der DSP aus, der Deutschen Sozialdemokratischen Partei, der dritten im Bunde. Kurt Conrad wollte eine sozialdemokratische Partei, die bei der Volksabstimmung von 1955 ohne Wenn und Aber für die Eingliederung in die Bundesrepublik eintrat.
Die DSP etablierte sich von Homburg aus landesweit, mangels rechtlicher Anerkennung durch die Landesregierung konnte sie sich aber doch letztlich nicht durchsetzen. Und durch die Wiederzulassung der SPD nach dem Referendum blieb sie eine Episode der saarländischen Geschichte.
Ein Homburger DSP-Ortsverein hatte allerdings bestanden, mit Wendel Mayer als erstem und Ludwig Schwenk als zweitem Vorsitzenden. Zwei Landesbeamte hatten also die Courage, sich aktiv in einer Partei zu betätigen, die der Landesregierung ein echter Dorn im Auge war.
Dass die kaum vermeidbare Konfrontation von SPS- und DSP-Leuten in unserer Stadt keine wesentlichen Verletzungen hinterlassen hat, das wollen wir dem Chronisten Willy Sachs einfach mal so glauben ...

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Noch einmal zu Kurt Conrad. Er war ein international beachteter Repräsentant der Rückgliederung. Als es darum ging, 1947 die neue Verfassung des Saarlandes vorzubereiten, blieb er der Schlussabstimmung demonstrativ fern. Sein dringendes Anliegen, den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich aus diesem Text herauszunehmen, war nicht mehrheitsfähig gewesen.
Kurt Conrad war später, nachdem das Saarland schon für Deutschland abgestimmt hatte, als Minister für Arbeit und Wohlfahrt sowie als Innenminister, dann als Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion und Landesvorsitzender seiner Partei eine der starken Figuren der saarländischen Politik.
Er war Minister, zuletzt im Kabinett von Franz-Josef Röder, er war Fraktionsvorsitzender im saarländischen Landtag, er war Landesvorsitzender der SPD. Er hat die Periode nach dem zweiten Weltkrieg entscheidend geprägt.

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Zurück zu kommunalpolitischen Ebene. Auch hier haben Persönlichkeiten unseres Ortsvereins das Geschehen geprägt. Man kann sie unmöglich alle erwähnen.
Lassen sie mich daher stellvertretend Hermann Wittebrock herausgreifen. Der Jurist führte mehr als zehn Jahre lang die Stadtratsfraktion an und hat für die programmatische Arbeit wichtige Anstöße gegeben. Er hatte einen Punkt besonders zu seiner Sache gemacht - die systematische Entwicklung der Innenstadt. Es wäre sicher nicht verkehrt gewesen, in einigen Punkten besser auf ihn zu hören, ist man heute geneigt zu sagen; denn das Thema steht für die SPD Homburg-Mitte noch oder: wieder ganz oben auf der Tagesordnung.
Und noch ein paar Namen will ich nennen - stellvertretend für die vielen, die eine Menge Freizeit für den Ortsverein geopfert haben.
Zum Beispiel Karl Haderlein, einen der bekanntesten Homburger Kommunalpolitiker, der leider in diesem Jahr gestorben ist. Er war ab 1982 ehrenamtlicher Sozialbeigeordneter der Stadt. Ein Amt, in dem er aufging und das ihm in einem bestimmten Sinn auch auf den Leib geschrieben war. Auf der Seite der Schwächeren hat er sich immer wohler gefühlt als anderswo.
Er hat sich durch seine unkomplizierte Art über Parteigrenzen hinweg Anerkennung erworben. Und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für seinen SPD-Ortsverein, den er mehr als zehn Jahre lang anführte, und für die Fraktion im Stadtrat, der er zwei Jahrzehnte lang angehörte.
Ich nenne Gerhard Schwenk, der als Juso und als Ortsvereinsvorsitzender Akzente gesetzt hat; nenne Marlis Schwenk, die Homburg im Landtag vertreten hat, nenne Heidrun Möller, die das Mandat jetzt ausübt.
Ich nenne Heinz Tarrach, der 80 Jahre geworden und immer noch fast so energiegeladen ist, wie er immer war; Reiner Kurz, der als Fraktionsvorsitzender und hauptamtlicher Beigeordneter eine wichtige Rolle spielte, seinen Nachfolger als Fraktionsvorsitzender, Dieter Knicker, der heute im Kreistag ist.
Und ich nenne Karl-Heinz Brabänder, der wie kaum ein anderer der SPD im praktischen Umgang mit der Bevölkerung ein Gesicht gegeben hat.
Johannes Rau hat einmal gesagt: "Kommunalpolitik ist der Ernstfall der Demokratie" - jeder und jede von denen, die ich jetzt genannt habe, und viele andere, die ich nicht erwähnen konnte, können ein Lied davon singen, dass das hundertprozentig stimmt ...

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Der SPD-Ortsverein Homburg-Mitte ist heute mit rund 250 Mitgliedern einer der beiden großen Ortsvereine im Stadtverband Homburg. Dieser Stadtverband steht ebenfalls vor einem Jubiläum; denn in seiner jetzigen Form existiert er im Jahr 2004 genau 30 Jahre. Er ist ein Produkt der Gebietsreform von 1974.
Er hat aber Vorläufer, die vom Ortsverein Homburg-Mitte ausgingen. So wurde im Juni 1953 der Beschluss gefasst, eine Großortsgruppe Homburg zu gründen.
Theo Weber für die Stadt und Alfons Roth für Erbach waren die Exponenten. Das war damals noch SPS. Den SPD-Großortsverein Homburg gab es ab 1955, nach dem Referendum. 1. Vorsitzender war dann Kurt Conrad, Mitstreiter waren Franz Roos und Erich Winter.
Kurt Conrad spürte, dass es wichtig ist, auf der Ebene der Stadt die Kräfte zu bündeln und über Stadtteilinteressen hinweg kommunalpolitisch einen roten Faden zu ziehen. Er hatte wegen seines landespolitischen Engagements aber nicht immer die Zeit, sich intensiv darum zu kümmern. Er wollte auch nur übergangsweise den Stadtverband führen, Nachfolger wurde Peter Springer.
Zu diesem Zeitpunkt war es nach langen Gesprächen und Verhandlungen auch endlich gelungen, dem Stadtverband eine Satzung zu geben, die alle Ortsvereine akzeptierten und die Grundlage für eine effiziente Arbeit werden sollte.

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Beim Referendum 1955 und bei der Kommunalwahl in Stadt und Kreis wurden die Sozialdemokraten stärkste Partei.
In Homburg gab es im Mai 1956 die ersten Wahlen unter den neuen Bedingungen. CDU, SPD und FDP/DPS errangen als "Heimatbund" die Ratsmehrheit, unter ihnen bildete die SPD die stärkste Fraktion.
Bernhard Ziegenbein von der SPD wurde hauptamtlicher Bürgermeister, nachdem Kurt Conrad kommissarisch die Geschäfte geführt hatte.
Mit dem "Werkmeisterplan" wurde für Homburg zum ersten Mal systematisch und auf wissenschaftlicher Grundlage ein Entwicklungskonzept geschaffen.
Damals wurde die SPD in Homburg kommunalpolitisch zur treibenden Kraft. Der Ortsverein Homburg-Mitte florierte unter der Leitung von Karl Stöcklein. Aus den Kommunalwahlen von 1960 ging die SPD als stärkste Ratsfraktion hervor, auch 1964 machte sie das Rennen.
Dass ihr das gelang, hatte unter anderem mit einem mutigen Vorstoß zu tun. Im Kommunalwahlkampf 1964 wurde zum ersten Mal mit einem 10-Punkte-Programm geworben, heute würde man sagen: Es wurde ein Leitbild erarbeitet.
Was die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Peter Springer damals auf die Beine stellte, fand in der Öffentlichkeit große Anerkennung, weil politische Entscheidungen nachvollziehbar und Entwicklungen planbar wurden.
Allerdings wurde auch nicht alles Wirklichkeit, was auf dem Wunschzettel stand: Bis heute ist der alte Plan, ein Kulturhaus zu bauen, mangels finanzieller Möglichkeiten nicht in die Tat umgesetzt.
Was und sonst noch fehlt und was wir als Ortsverein noch anpacken wollen, das werde ich jetzt nicht sagen. Nur einen Hinweis dazu: Auf der Internetseite des Stadtverbandes steht dazu ein ausführliches Papier, das wenig Fragen offen lässt. Es wird auch die Basis bilden für das Arbeitsprogramm, mit dem wir optimistisch in die Kommunalwahl des Jahres 2004 ziehen werden.

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Es folgt - wir sind schon beim zweitletzten Punkt - eine knappe Bildbeschreibung.
Wir haben es offenbar mit einer weitgehend gewaltfreien Demonstration zu tun. Transparente sind im Bild: "Flutlichtanlage: ja; Gleichstellungsstelle: nein" können wir auf einem von ihnen lesen. Eine bewegte Zeit, es war 1987. SPD-Fraktionsvorsitzender Reiner Kurz und CDU-Mann Heinrich Biewer versuchen Ordnung in die Situation zu bringen. Am rechten Rand sehen wir einen weiblichen Harry Potter, eine Sandwichfrau mit der Botschaft: "Auf die Dauer hilft nur Frauen-Power".
Sie trägt offenkundig Latzhose, ihr Blick verrät: "Ich zeig's euch noch".
Das Foto befindet sich in der Broschüre, die der Ortsverein Homburg-Mitte 1987 bei seinem 75-Jährigen herausgebracht hat.
Schön, dass die Frau vom rechten Rand - pardon - heute da ist, immer noch gewaltfrei. Es ist Astrid Klug, seit vielen Jahren unser Vorstandsmitglied, seit einigen Jahren stellvertretende Landesvorsitzende, seit kurzem unsere Frau in Berlin.
Das ist vielleicht das schönste Geschenk für den Ortsverein, dass wir im Jubiläumsjahr eine Bundestagsabgeordnete in unseren Reihen haben. Das ist eine echte Premiere.
Lothar Fischer aus Erbach hat bisher unsere Interessen in Bonn und in Berlin vertreten, jetzt ist es eine Frau aus Homburg-Mitte. Ich glaube, man wird uns heute Abend nachsehen, dass mir do druff e bissje stolz sinn ...

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Das ist die Realität des Jahres 2002, genau 90 Jahre nachdem die Sozialdemokratie in Homburg richtig Fuß gefasst hat.
Meine Damen und Herren,
Sie haben es geschafft, ich bin am Ende. Ich möchte aber, bevor Sie aufatmen, noch einmal ganz kurz auf die Broschüre "75 Jahre SPD Homburg-Mitte" zurückkommen. Diesmal nicht mit einer Bildbeschreibung, sondern mit einem Zitat. Es hat mit Aufatmen zu tun, es handelt sich um einen Appell von Hans-Jochen Vogel, der 1987 Bundesvorsitzender der SPD war.
Für die notwendige praktische Arbeit der Partei, sagt er, gelte jetzt: "Das eigene Profil erkennen lassen! Türen und Fenster auf! Die Menschen dort abholen, wo sie sich aufhalten, Mitglieder werben! Das Zeitbudget verändern - weniger Zeit auf den inneren Betrieb, mehr Zeit auf die Vertrauensarbeit verwenden! Mehr Selbstdisziplin!"
Das ist kein schlechtes Motto für das, was in den verbleibenden Tagen dieses Jubilumsjahres, vor allem aber danach zu geschehen hat.
Wir freuen uns über jeden und jede, die dabei mitmacht.

 

 

Der SPD-Landesvorsitzende Heiko Maas überreichte die Ehrennadeln für langjährige Mitgliedschaft., Foto: WolkeScript

Gäste aus den anderen Homburger SPD-Ortsvereinen nutzten die Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Foto: WolkeScript